Zeugnisse reichen nicht aus, um einen potenziellen Lernenden in puncto Sozialkompetenz, Lern- und Arbeitsverhalten zu beurteilen. Deshalb wäre die Einschätzung der Lehrkräfte sehr wichtig, um die richtige Entscheidung zu treffen. Doch davon machen leider nur wenige Lehrbetriebe Gebrauch.

Einen jungen Menschen drei Jahre lang zu begleiten bedeutet, ihn auf die Gesellschaft und das Leben vorzubereiten. Eine Oberstufenlehrperson muss also fähig sein, einen Schüler prognostisch zu beurteilen, um ihm einen bestmöglichen Start in die Berufswelt oder in eine weiterführende Schule zu ermöglichen. Natürlich geschieht dies im Idealfall immer in enger Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten. Die Klassenlehrkraft ist sozusagen Dreh- und Angelpunkt und kann ein umfassendes Bild über den einzelnen Schüler abgeben. Unter diesem Aspekt stellt sich mir die Frage, warum der Kontakt von den Berufsbildnern zu den Oberstufenlehrpersonen nicht sehr häufig gesucht wird. Sie verlassen sich lieber auf ihre internen Tests, auf den Multi- oder Basis-Check oder vielleicht sogar auf das Stellwerk.

Lehrlingsausbildner sind nach Erfahrung der Oberstufenlehrpersonen zu wenig im Dialog mit der Klassenlehrkraft. Das ist bedauerlich, denn die Lehrkräfte sind die Profis in puncto Beurteilung der Sozialkompetenz und können detailliert Auskunft über das Lern- und Arbeitsverhalten eines Schülers geben. Anders die erwähnten Tests: Sie geben nämlich keine Auskunft zu oben genannten Kompetenzen. Und sind nicht eben diese Kompetenzen der Schlüssel zum Erfolg? So frage ich mich nochmals: Warum werden selten Referenzen von den Lehrkräften eingeholt? Fehlt die Zeit oder gar das Vertrauen? Kann man einen Schüler aufgrund seiner Bewerbungsunterlagen und einer Schnupperlehre im Ganzen erfassen?

Eine gute Menschenkenntnis ist sicher eine Schlüsselkompetenz eines Lehrmeisters. Es wird ihm wohl gelingen, nach einer Schnupperlehre sagen zu können, ob der Kandidat seinen Vorstellungen entspricht. Aber um zu wissen, ob er alle nötigen Kriterien erfüllt und wirklich die passende Person für diesen Ausbildungsplatz ist, kann man doch eigentlich nur, wenn man ein Gespräch mit der Klassenlehrkraft geführt hat. Zugegeben, man muss nicht jeden Bewerber auf Herz und Nieren prüfen, es geht zum Teil auch mit weniger Aufwand. Aber der direkte Kontakt ist so unglaublich wertvoll und bietet immer wieder die Möglichkeit zum direkten Austausch zwischen den beiden Stufen, sodass er im Grunde unabdingbar ist.

Verein Triebwerk berubsbildnerblog_